Der Mensch muss mit sich zurechtkommen:

Identität/Persönlichkeit (Ich Kompetenz)

Bereich Körpererfahrung
Die Erfahrungen, die jeder mit und durch seinen Körper macht, sind Grundlage und Voraussetzung für jede Bewegung. Und weil dieser Bereich so umfassend ist, wird er (theoretisch) in verschiedene Unterbereiche eingeteilt. Im Menschen sind sie immer ineinander verwoben, aber zum Verständnis und zur gezielten Förderung ist es sehr hilfreich, wenn man sich die verschiedenen Akzente klar macht.

Da ist einmal der Aspekt Körperschema: Vereinfacht ausgedrückt hat jeder Mensch eine Art Lageplan seines Körpers im Gehirn gespeichert, das Körperschema. Man weiß z.B. ohne nachzudenken, wie der Körper beschaffen ist und wie er funktioniert, wie lang die Arme und Beine sind oder wo vorne und hinten ist. Wenn wir unsere Position verändern, melden automatisch verschiedenen Rezeptoren an Muskeln, Gelenken etc. die aktuelle Lage des Körpers und seiner Teile an das Gehirn. Auf dieser Grundlage können wir, wenn wir eine bestimmte Handlung ausführen, die Bewegungen des Körpers ohne langes Überlegen sinnvoll und gezielt einsetzen. Im Alter jedoch stimmt das im Lauf des Lebens erworbene und funktionierende Körperschema nicht mehr mit den tatsächlichen organischen Gegebenheiten des Körpers überein. Der biologische Organismus "Körper" verändert sich im Alter in seiner Funktions und Leistungsfähigkeit. Ein Arm z.B. lässt sich nicht mehr so hoch heben, ein Schultergelenk schmerzt, eine Beugung des Oberkörpers geht nicht mehr so tief, weil die Wirbelsäule versteift: man muss neue Strategien, neue Bewegungsmuster entwickeln, um seine Pläne zu verwirklichen.

Das Körperschema, also die Vorstellung, die wir von unserem Körper und von seinen Bewegungsmöglichkeiten haben, muss sich an die veränderten realen Bedingungen des altwerdenden Körpers anpassen. Grundsätzlich dienen alle Bewegungen, die der Körper ausführt, dieser Anpassung. Allerdings neigen alte Menschen dazu, sich sehr wenig zu bewegen  viel weniger, als sie es eigentlich noch könnten. Von daher fehlen ihnen zunehmend die Bewegungserfahrungen mit dem sich verändernden Körper. Die Bewegungsmuster werden immer stereotyper, das Körperschema verliert seine Anpassungsfähigkeit, die Beweglichkeit wird immer eingeschränkter. Als Folge davon braucht die Ausführung von Bewegung immer mehr Energie und Anstrengung und aus diesem Grund unterbleiben sie immer mehr. Umgekehrt fallen alle Bewegungen bei regelmäßigem Üben leichter, kosten weniger Kraft und werden mit mehr Freude aufgeführt. Insofern tragen die Betreuerinnen der alten Menschen schon viel Positives zur Anpassung des Körperschemas an die tatsächlichen körperlichen Bewegungsmöglichkeiten bei, wenn sie sie ermuntern, möglichst viele große und kleine Bewegungen auszuführen wie z.B.: Spaziergänge zu machen und dabei Blumen zu pflücken, das Zimmer zu verlassen und im Treppenhaus mal bis unter das Dach zu steigen, selbst das Bett zu machen oder einmal wieder die Kommode auszuräumen und mit neuem Schrankpapier auszulegen. Nicht auf spektakuläre Übungen kommt es an, sondern auf alltägliche, aber vielfältige Bewegungsmuster!

Wesentliche Intensivierung der Anpassung erfolgt durch die Bewusstmachung dessen, was man tut. Man kann zum Beispiel in den Stunden einfach fragen: "Frau K., wie hoch können Sie noch Ihren Arm heben? Geht es nicht ein bisschen höher? oder: "Herr T., können Sie die Rückenlehne berühren? Wie könnte man das doch noch hinkriegen?

Auch alte Menschen haben oft den Wunsch, über ihren Körper, seine Veränderungen, seine Krankheiten Bescheid zu wissen. In diesem Aspekt der Körpererfahrung, dem Bereich der Körperkenntnis können auch Psychomotoriker wirksam werden, indem sie sich z.B. einfach ein bisschen sachkundig machen (oder ihr anatomisches und medizinisches Wissen aus der Ausbildungszeit auffrischen) und diese Informationen an die Bewohnerinnen und Bewohner weitergeben. Wenn jemand weiß, dass sein Gelenk versteift, wenn er es nicht bewegt, und warum das so ist, wird er viel eher bereit sein, es zu bewegen!
Ein anderer Aspekt der Körpererfahrung ist es auch, die Grenzen seines Körpers zu spüren. Die Haut als ein wichtiges Organ des Menschen, die den ganzen Körper schützend umhüllt, sollte auf vielfältige Weise stimuliert werden (Duschen, Wechselbäder, Bürstenmassagen, Eincremen etc.). Leider ist es den Bewegungsfachleuten meist verwehrt, diese als "Pflegehandlungen" stattfindenden Situationen entsprechend zu gestalten, damit das elementare Bedürfnis nach Berühren, Anfassen, Festhalten wenigstens ein bisschen gestillt werden kann. Körperliches Wohlbefinden und das Gefühl für die eigenen (Körper) Grenzen bleiben erhalten. Und das wirkt wiederum nach innen auf die psychische Befindlichkeit. Aber auch positive Zuwendung beim Waschen und Baden, nicht das distanzierte "Behandeln" des Körpers wird wirksam, wenn es darum geht, dass der alte Menschen ein bejahendes Bild von seinem Körper und eine positive Einstellung zu ihm behält: "Auch wenn er alt und vielleicht auch krank geworden ist  es ist mein Körper, das bin ich und ich stehe zu meinem Körper und zu mir. Ich nehme mich an, so wie ich bin". Dieser Bereich Körpereinstellung ist daher ein weiterer Aspekt der Körpererfahrung. In der Psychomotorik können alle Formen des Ausstreichens, des Abklopfen, des Massierens mit und ohne Materialien gewählt werden.
Ebenso wie auch das Körperbewusstsein, d.h. das bewusste Wahrnehmen des eigenen Körpers in Ruhe und Bewegung. So spiegelt sich beispielsweise ein lustloses, freudloses, antriebsloses Leben auch in der Körperhaltung wieder. Und umgekehrt lässt es sich über Bewegungsaktivitäten und Anregung erreichen, dass nicht nur der Körper bewegt wird, sondern sich überhaupt wieder mehr Aktivierung einstellt. In Anlehnung an den Pflegetheoretiker BÖHM (BÖHM, 1999), der die These vertritt, dass, wenn die Seele bewegt wird, sich auch der Körper bewegt, lässt sich sagen, wenn der Körper bewegt (berührt) wird, bewegt sich auch die Seele.

Aber solange noch das somatischen Pflegekonzeptes mit dem Prinzip der funktionalen Pflege vorherrscht und damit die absolute Dominanz des Körpers als ein zu versorgendes, zu reinigendes, zu pflegendes Objekt bedeutet, ist die Gefahr groß, dass diese "Enteignung des Leibes" die Menschen zu bloßen Objekten und "reparaturfähigen‚ 'NurKörpern'" (KOCHSTRAUBE 1997) degradiert und aller leiblichseelischen Subjektivität beraubt. Mit wachsendem Einfluss einer anderen Pflegekultur sind hier für die Mitarbeiterinnen ganz konkrete Umsetzungsmöglichkeiten für die Praxis

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