Was können wir tun? Übergeordnete Themen Ein zentrales Lebensthema in einem Alten und Pflegeheim ergibt sich aus
folgender Einsicht: Das Sein des Menschen realisiert sich auf verschiedenen
Ebenen. Auf einer übergeordneten Ebene, die aber letztlich die aktuelle
Befindlichkeit ebenso prägt wie beispielsweise die grundsätzliche Einstellung
zum eigenen Leben, werden auch hier wieder aus verschiedenen (wissenschafts)
theoretischen Bezügen, Forschungsrichtungen und Wissenschaftsgebäuden
Wirkfaktoren genannt, die letztlich in die gleiche Richtung weisen. Ohne hier weiter auf diese und ähnliche Ansätze eingehen zu können, sei festgehalten: Entscheidenden Einfluss auf menschliches Erleben und Verhalten hat dieses Streben nach Autonomie und Selbstbestimmung, nach Selbstwirksamkeit und Kontrolle. Etwas selbst bestimmen zu können, etwas bewirken zu können, etwas beeinflussen zu können, etwas wert zu sein das sind untrennbare miteinander verwobene Gefühle, die unser Sein bestimmen. Und die Realisierung dieser Bestrebungen wiederum ist auf einer ganz konkreten (fast banal anmutenden Ebene) unmittelbar an Tätigkeit, also an tätiges Handeln, an Bewegung gebunden. Werden denn plötzlich aufgrund (zu) vieler gelebter Jahre diese Werte auf einmal ungültig? Bedeutet die Notwendigkeit, in manchen Bereichen des Lebens Hilfe und Pflege annehmen zu müssen, auf einmal den Verlust von Würde und Selbstbestimmung? Das leider noch all zu oft sinnentleerte Leben in einem Alten und Pflegeheim
mit herkömmlichen Strukturen, die die Institutionalisierungseffekte gerade zu
vorprogrammieren, trägt zu einem Abbau der Persönlichkeit, zu einem Verlust
der Identität bei. Die dem Menschen eigenen Urbedürfnisse "Arbeit"
und "Liebe", die zentralen Grundlagen unserer Identität, sind im
Alter oder mit Erreichen der Pflegebedürftigkeit doch nicht einfach
verschwunden. Sie äußern sich nur in anderen Formen als in der Phase des
mittleren Erwachsenenalters und können eher mit den Begriffen
"Tätigkeit" und "Nähe" (vgl. FRIEDAN, 1995) umschrieben
werden aber in der Institution Altenheim lassen sie sich kaum mehr
realisieren, die Menschen "verkümmern". Das Leben in einem Alten und
Pflegeheim bedeutet die Unterordnung unter die Strukturen und Regeln der
Institution, wo viele der individuellen Persönlichkeitseigenschaften und
Lebensgewohnheiten keine Rolle mehr spielen. Das (lebens) notwendige Recht auf
Tätigsein, auf Selbstbestimmung und Autonomie, auf Selbstwirksamkeit und
Würde, die Überzeugung, Kontrolle über sein Leben zu behalten oder das
Erleben von Sinnhaftigkeit, was zu den zentralen "Schutzfaktoren der
Gesundheit" (ANTONOWSKI 1979) zählt, sind oft auf ein Minimum beschränkt. Es geht nicht darum, "nette Bewegungsstunden" zu machen, sondern es geht um Entwicklungsförderung, um den Menschen, um seine Identität. Die Weiterentwicklung des Menschen ist unter diesen Bedingungen, wie sie zur Zeit noch häufig in der Institution Alten und Pflegeheim vorfindlich sind, hochgradig gefährdet, sie droht, wirklich nur eine rapide Rückentwicklung zu sein und die Gefahr der Hospitalisierung in kürzester Zeit besteht nachgewiesenermaßen (vgl. GIELEN, 1996). Und das nicht, weil man alt geworden ist, sondern weil die Lebensbedingungen es einem verwehren, menschlich zu bleiben, und trotz Pflegebedürftigkeit in Teilbereichen so weiter zu leben, wie man es zum Menschsein braucht. Psychomotorische Förderung im Altenheim bedeutet eine ganzheitliche,
persönlichkeitsorientierte Förderung in allen diesen aufgeführten Bereichen,
beinhaltet die Möglichkeit, diese lebenswichtigen Anteile im Menschen zu
aktivieren, anzuregen, wieder Erfahrungen zu ermöglichen und so ein Stück
Lebensqualität zurückzubringen, das Leben immer noch lebenswert zu machen. Den
Grundbedürfnissen des Menschen "Tätigkeit" und "Nähe" und
dem Wunsch nach Selbstbestimmung wird entgegengekommen, denn generell durchzieht
das Prinzip des tätigen Handelns alle psychomotorischen Interventionen, sind
Kommunikation und Interaktion miteinander und mit den Mitarbeitern im Hause
explizit Thema oder immer mitschwingendes Prinzip und wenigstens in den uns zur
Verfügung stehenden kleinen Teilbereichen wird das Recht auf Selbst und
Mitbestimmung gewahrt. |
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