Wie sieht das Konzept der Psychomotorik im Alten- und Pflegeheim aus? Lebenssituation Alten und Pflegeheim Wir können davon ausgehen, dass es der erklärte Wunsch der meisten Menschen
ist, ihre Unabhängigkeit zu behalten und selbständig in den eigenen vier
Wänden zu leben. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Alten und Pflegeheimes
dagegen müssen mit der Erfahrung fertig werden, dass sie es alleine nicht mehr
bewerkstelligen können. Sie leben nun zwar deswegen in einem Heim, weil sie
körperlich und/oder geistig ein selbständiges Leben nicht mehr führen
konnten, aber ihr Bedürfnis nach selbständigem Leben ist natürlich mit den
veränderten Lebensbedingungen nicht automatisch verschwunden. Sie geraten in
einen schweren Konflikt: Übergeordnetes Thema ist die Aufgabe von Autonomie und
Selbstbestimmung, "spürbar" in einem Körper, der vielleicht
schmerzt, der vielleicht nur noch eingeschränkte Bewegung zuläßt, der das
Dasein so schwer werden läßt. Jeder Mensch hat von Beginn seiner Existenz an
gelernt und erfahren, dass Bewegung dazu dient, das Leben zu meistern. Nun
erfährt er, dass ihm sein Körper und seine Bewegungsmöglichkeiten nicht mehr
wie gewohnt zur Verfügung stehen. Bewegung und Persönlichkeit, Körper und
Selbstvertrauen, Identität und Selbstbild sind so untrennbar und eng
miteinander verflochten, dass die (allmählichen) Einschränkungen und
Behinderungen des Körpers und seiner Bewegungsmöglichkeiten das gesamte
bisherige Leben ungültig zu machen drohen und zukünftiges Leben in Frage
stellen. "Ich bin krank und alt und nichts mehr wert": diese
Schlüsse werden oft genug gezogen. In diese sowieso schwierige Phase fällt der Einzug in ein Alten und Pflegeheim. Damit verbunden sind mit dem plötzlichen, absoluten Bruch zu dem bisher gelebten Leben die einseitige Unterordnung und Anpassung an die bestehenden Strukturen und Regeln der Institution. Die Heimordnung regelt nicht nur äußere Rahmenbedingungen (Schlafenszeiten, Essenzeiten, Waschzeiten, Gemeinschaftszeiten etc.), sondern bestimmt auch die Struktur der Beziehungen zwischen Bewohnern und Pflegekräften (es ist in eine Machtstruktur, in der die Pflegenden den zu Pflegenden sagen, was wann zu tun ist) und bestimmt indirekt das Selbstwertgefühl des Bewohners. Wir haben gesehen, dass Selbstbestimmung, Selbstwirksamkeit und Kontrolle wirkmächtige Säulen der Identität sind, wir haben gesehen, dass sie als "Schutzfakoren" der Gesundheit nur dienen, wenn sie auch wirklich gelebt werden können aber innerhalb der bestehenden Strukturen der Institution Alten und Pflegeheim wird ihnen kaum Raum gegeben. Und: es gibt nichts mehr zu tun! Alles wird von anderen (schneller und besser) gemacht. Selbst Anziehen, Waschen, Tischabräumen, Bettenmachen oder andere kleine, alltägliche Verrichtungen werden von anderen übernommen. Diese Lebensbedingungen und die eigenen Krankheiten und Behinderungen, die die Pflegebedürftigkeit bedingen, münden nicht selten in Rückzug in eine innere Welt. Der Bezug zur Umwelt wird reduziert, die Teilhabe am Geschehen erfolgt häufig nur punktuell. In einer psychomotorischen Förderung können wir (vorläufig) nicht die Lebensbedingungen verändern, aber wir können dahin wirken, jedem einzelnen (auch wenn es nur zeitweilig ist) das Gefühl zu geben, lebendig zu sein, wieder einmal "da" zu sein, wieder etwas spüren sich wieder zu bewegen. Wir müssen einen Zugang finden (der sehr individuell ist), um ihn zu erreichen , um ihm in der Einförmigkeit eines Daseins einen kleinen "Glanzpunkt" geben zu können und ihn wieder erleben lassen, wie vielfältig das Dasein sein kann und vor allem: dass er "sich selbst" wieder spürt. Dass er erlebt, dass er doch etwas bewerkstelligen kann, dass er doch etwas bewirken kann, dass er doch etwas leisten kann, dass er doch teilhaben kann, dass er Gemeinschaft erleben kann und: dass er Freude haben kann. Aber man darf nicht die Augen davor verschließen, dass diese Stunden
"Bonbonstunden" sind, die sich aus dem normalen Alltagsleben
herausheben und so wertvoll sie auch sind nur kleinste Erfahrungen zulassen.
Psychomotorik ist von viel existentiellerer Bedeutung als dass sie nur eine
einzelnen Stunde in der Woche ausmacht sie muss das Leben bestimmen! Auch wenn
hier wiederum durch die Vorgabe "Institution Alten und Pflegeheim engen
Grenzen gesteckt und hohe Mauern gezogen sind es ließen sich viele
fördernde, ganzheitliche, umfassende Umgestaltungen machen. |
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