Struktur der Dinge Und dann besitzt jeder Gegenstand eine "innere" Struktur. Sie bezieht sich auf folgendes: Zum ersten ist jeder Gegenstand (außer Naturmaterialien) von Menschen zu einem bestimmten Zweck hergestellt worden: die Klobürste zum Säubern der Toilette, der Kamm zum Kämmen der Haare, der Ball zum Spielen. Wir haben alle im Laufe des Lebens gelernt, was wofür ist und verwenden normalerweise die Dinge nach dem, wofür sie gemacht sind. Bei zunehmend desorientierten und bei dementen Menschen ist zu beobachten, dass sie die Bedeutung des Zwecks, für den die Gegenstände gemacht wurden, zunehmend vergessen und die Dinge so verwenden, wie sie sie gerade brauchen. Zum Beispiel den Kamm zum Essen ("Kartoffeln schöpfen") oder die Schuhbürste zum Tischplatte säubern. Verwirrte alte Menschen sind häufig viel offener für den zweckentfremdeten Gebrauch von Gegenständen. Was aus Unkenntnis des Pflegepersonals häufig belächelt oder als "verrückt" abgetan wird, sind nicht selten gerade diese anderen Formen des Umgangs mit den Alltagsdingen. Jedes Ding, jedes Objekt weckt bestimmte Assoziationen, ruft bestimmte Umgehensweisen hervor und, wenn man offen dafür ist, eben auch andere als die gewohnten. Und wenn jemand den Kamm nicht mehr erkennt als etwas, womit nur die Haare frisiert werden, muss man ihn doch bei seiner Weise des Umgangs mit dem Kamm lassen. Vielleicht besteht er für ihn darin, ihn als Musikinstrument zu verwenden oder die Kaffeetasse umzurühren (ausgewaschen ist er schnell!). Und damit kommen wir zu der zweiten Bedeutung, die jedem Gegenstand innewohnt, wenn wir uns der "inneren" Struktur zuwenden: Jeder Gegenstand, jedes Material ist noch zu etwas anderes zu gebrauchen als nur das wofür er gemacht wurde. Und diese Möglichkeiten zu finden und auszuprobieren, sie einfach zu "machen" ist in den Bewegungsstunden möglich. Die Frage: "Was kann man noch damit machen?" ist die Aufforderung, selbst etwas auszudenken, was letztlich aus dem Material selbst entwachsen ist. Zum dritten erweckt jeder Gegenstand (auch unbewusste) Gefühle und Assoziationen, die mit beeinflussen, was passiert. Mit einem Schaumstoffball zu spielen ist nicht besonders anregend, wenn man keinen Schaumstoff anfassen mag, mit einem angewärmten Kirschkernsäckchen zu arbeiten ist bei kaltem Wetter draußen anders als an einem heißen Sommertag. Und zum vierten kann jeder Umgang mit Dingen Erinnerungen wecken. Situationen und Bilder längst vergangener Trage tauchen wieder auf, längst vergessen geglaubte Begebenheiten fallen einem wieder ein und können besprochen werden so können auf spielerische und wirksame Weise wertvolle, lebendige Erinnerungen wieder geweckt werden. Biographisches Arbeiten wird so selbstverständlicher Bestandteil psychomotorischer Förderung. Schon in der Auswahl der Gegenstände werden also bestimmte Weichen gelegt für das, was wahrscheinlich passieren wird. Und welche Themen sich eher mit welchen Materialien umsetzen lassen, bedürfen eben dieses Wissens um den Appellcharakter der Materialien und der subjektiven "inneren" Struktur der Gegenstände. Grundsätzlich kann und sollte mit jedem Material und jedem Gegenstand in dieser Weise gearbeitet werden und das Wissen um Appellcharakter und Struktur der Dinge in die Aktivierungs und Bewegungsstunden einfließen. |
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