Männer haben’s nicht leicht, Männer machen alles ganz, ganz genau

von Rupert Schoch

Die stellen schon mal Fragen, wie... wann ist ein Ansatz ein Ansatz?
Und meinen nicht Bauch oder Haar, sondern meinen es ernst.
„Wann ist ein Ansatz ein Ansatz“ hat der verehrte Prof. J. Seewald in der letzten Ausgabe der Praxis Psychomotorik (Febr.09) gefragt.

Ich gestehe, so erschrocken bin ich schon lange nicht mehr. Habe ich geschlafen die letzten Jahre, habe ich nicht mitgekriegt, dass da in der Psychomotorik/Motologie eine blühende „Ansatzlandschaft“ entstand, die jetzt flurbereinigt werden muss. Seewald entwickelt in seinem Beitrag „Gliederungsformen der bestehenden Ansatzlandschaft und benennt Kriterien, die einen Ansatz als psychomotorischen bzw. motologischen ausweisen.“ Seewald, ick hör dir gärtnern. Landschaftsgestaltung und Ausweispflicht, da denk ich doch glatt, an die Grünen, die in Hamburg jetzt blau tragen, ich denk an Ausweispflicht und habe schon im Ansatz das Gefühl, wieder nicht den richtigen zu haben.
Habe ich denn überhaupt einen Ansatz? Nach welchem Ansatz arbeite ich, wo setze ich beim Kind an?
Seewald weiß um „Das Leibliche als Fundament des Bedeutens“ und deshalb möchte ich noch einmal daran erinnern, dass die Wortsprache kein Fertigprodukt; dass Sprachgebrauch das Element und die Substanz geistiger Auseinandersetzung und dass gerade in der Psychomotorik nach wie vor das Verhältnis zwischen Geist und Körper, zwischen Leib und Seele Thema und Grundlage allen Sprechens über Psychomotorik ist. Welcher Sprachgebrauch ist dieser Wissenschaft (Motologie) würdig, welche Achtsamkeit im Sprechen und Wortwahl verdient dieser Arbeits- Forschungs- und Lebensbereich?

„Sprache bildet das Terrain, befestigt die ungesicherten Pfade der Inter- und Transdisziplinarität. Das kann nicht geschehen mit unpräziser Routine ... und bedeutungsflüchtigem Jargon , bei dem man sich nicht entscheiden muss, wovon man spricht.“ (Maria Nicolini: Worte, magische Masse, Sprache und Schreiben in der KLF http://www.klf.at/pdf/worte_magische_bulletin.pdf)

Wie und von was wird in dieser „Ansatzlandschaft“ gesprochen? Seewald schreibt:“Es sind vor allem Promotionen, aus denen neue Ansätze, Ansatzkombinationen oder Vorläufer von Ansätzen hervorgehen“ (S.31). Erklärt das aber auch, dass  - ich betone - „Vorläufer von Ansätzen“ das universitäre Licht erblicken? Vielleicht bin ich einfach zu unbegabt und nehme das zu wörtlich, sehe das zu bildlich, aber für mich ist der „Vorläufer eines Ansatzes“ so was wie eine rennende Schnecke, ein rasender Hocker, jedenfalls eine Art Rohrkrepierer.

Laufende Ansätze, verstehende Ansätze, kombinierte Ansätze, selbstkonzeptorientierte Ansätze, systemische Ansätze.....“
Ich seh’ die Ansatzlandschaft vor mir: schwellende Hügel, kümmerliche Erhebungen, picklige Felder, Hochgebirge und blühende Akne. Jeder Ansatz eine Erhebung in den unübersichtlichen und konturlosen Niederungen der Psychomotorik / Motologie, von der aus man faszinierende Ein- und Ausblicke erhält.

Denn jeder neue Ansatz ist wie eine neue Brille, die uns hilft.......“(S.31). Und wer zu viel Brillen hat, der verliert natürlich irgendwann den Überblick, „welche trage ich heute  wo liegt sie denn nun wieder, wer hat meine Brille gesehen? Fragen über Fragen.

Ist das nur ne Brille oder  schon ne neue Weltanschauung, wenn ich ne neue Brille trage, sind das Ansätze oder schon Konzepte und zu guter Letzt die Frage aller Fragen: „Ist ein Ansatz auch wissenschaftlich legitimiert?“

Mein Beitrag macht da einen ganz klaren Vorschlag und beantwortet diese Frage ganz klar. Ein Ansatz ist schon vom Ansatz her nicht nur nicht wissenschaftlich legitimiert, sondern ist darüber hinaus ein absolut eindeutiger Hinweis, dass wir es hier mit streng abgeschotteter Wissenschaft zu tun haben.
Das wird auch im Artikel ganz deutlich, denn „Zum Schluss streift der Blick die vielfältigen Bereiche der Praxis, die von keinem Ansatz erfasst werden“ (S.31).
Na, da fällt mir aber ein Stein vom Herzen: Es gibt also noch ansatzfreie Gebiete und ich freue mich, dass ich in 25 Jahren psychomotorischer Praxis auch noch nicht von einem Ansatz erfasst worden bin.

In den folgenden Ausführungen beziehe ich mich gänzlich auf Maria Nicolini’s Ausführungen zu „Ansatz wie Kleister“ (a.a.O.)

Das Wort Ansatz ist – neben Akteur Aspekt Bereich Ebene Entwicklung Experte Fragestellung Grundvoraussetzung Kontext Problemstellung Struktur Schwerpunktsetzung System Vorgehensweise Zielsetzung Zugang – eines der meistgebrauchten KLF-Substantive. Fallweise erscheint ‘Ansatz’, ähnlich wie Akteur Aspekt Bereich Ebene ..., im Rudel, meistens begleitet von Adjektiven: abstrakter aktueller disziplinärer eigener gemeinsamer gesellschaftsbezogener globaler grundlegender heutiger historischer interdisziplinärer komplexer konkreter kontextbezogener kontexturaler lösungsorientierter mehrdisziplinärer methodischer methodologischer möglicher multidisziplinärer multifunktionaler neuer ökosystemarer organisationaler partizipativer problemorientierter regionaler struktureller strukturellfunktionaler systemischer transdisziplinärer umfassenderer umsetzungsbezogener umweltgeschichtlicher vorliegender wissenschaftlicher zielgruppenorientierter zukunftsorientierter Ansatz.

.....Laufen solche Wortgebilde weiter auf, legen sie sich wie Kleister über die Gegenstände: " der  interdisziplinär angelegte Qualitätsansatz", "die Umsetzungsrelevanz von Forschungsansatz", "ein Erkenntnisprodukt für Marketing-Ansätze" – solches ist "Blähung" (vgl Wolf Schneider S 205 ff), nicht Bedeutung.(......). Statt Antwort stellt sich Leere ein, Surreales, jeglichen Sinnes entledigt.

Nicht die Sprache ist das Problem, sondern der Sprachgebrauch. Nicht das oft beklagte "Fehlen einer gemeinsamen Sprache", sondern der Mangel an Zuwendung zur Sprache, zu ihrem Reichtum, zu ihrer Präzisionskraft macht Texte leer und bedeutungslos.

Ich wiederhole: Laufen solche Wortgebilde weiter auf, legen sie sich wie Kleister über die Gegenstände solches ist "Blähung, nicht Bedeutung.

Wenn also Seewald den Vorschlag macht, „den Begriff „Ansatz“ an Kriterien zu koppeln und damit zu normieren“ (S.31), dann kommt zwar zum Hauptwort das Adjektiv (handlungsorientierter, kompetenztheoretische, medizinisch-funktionaler, usw.usw… Ansatz), aber damit ist die Gefahr ja längst nicht gebannt. Macht es Sinn Surreales auch noch zu normieren? Macht es Sinn, einen Begriff, der wie eine Blähung daher kommt, auch noch an Kriterien zu koppeln?

Weiter, lichten wir das postmoderne Chaos (irgendeiner muss ja mal anfangen mit dem Aufräumen und Ordnung und Übersicht herstellen) „Ansätze stehen nicht für sich, sondern lassen sich einer übergeordneten Perspektive zuordnen“ (Seewald S.32), weil ich schon wieder von dem wunderschönen GedankenBild -Ansätze stehen nicht für sich,( eventuell setzen sie sich gerne zusammen)- verfolgt werde, greife ich zur postmodernen Wissensquelle und google. Die Bedeutungen von Ansatz:

Ansatz bezeichnet:

Ich vermute mit dem Denkansatz - einem durch bestimmte Vorerfahrungen geprägten Einstieg in eine logische Argumentation - komme ich dem Verstehen näher.

So setzt jeder da an, wo er sich in seinem Erkenntnisprozess befindet; mit der jeweils individuellen Wahrnehmung setzt er das Neue dort an, wo sich sein „anschlussfähiges Wissen“ befindet. Erkenne ansatzweise gerade das, was mir als erstes auffällt – ich setze dort an, wo ich etwas erkenne. So hat jeder, aber auch jeder seinen Ansatz und damit müsste sich dieses Ausdruck präzise verwenden lassen.

Und er taugt leider nicht mal ansatzweise zur Ordnungspolitik.

Da hilft auch nicht der Vorschlag von Seewald, der für die Klärung der Ursprungsfrage „wann ist ein Ansatz ein Ansatz?“ vier inhaltliche Kriterien vorschlägt u.a. mit der Begründung „Ohne eine Rückkopplung mit den Wirkungen der Arbeit können sich Ansätze nur schwer weiterentwickeln“ (S.33) Da tun sich wieder Arbeitsfelder auf: Entwicklungsförderung für Ansätze, die sich aufgrund mangelnder Rückkopplung nur schwer entwickeln. Spaß beiseite, wohin sollen sich Ansätze denn weiterentwickeln. Zu Ansatzflächen, -kombinationen, zu ganzen Ansatzlandschaften wohl, das sehe ich nur Pickel, Pickel, Pickel und Unausgegorenes und Unausgedrücktes. Hilft da wirklich Clerasil oder Seewald?

Der erste Vorschlag für die vier inhaltlichen Kriterien sollte von allen zukünftigen Ansatzausdenkern in ihren Promotionen wirklich beherzigt werden:

1 Wissenschaftlich anerkannte Bezugstheorien zu Bewegung und /oder Körperlichkeit“
Ich finde auch das muss sein: Da könnte ja jeder kommen mit seiner ihm durch das Leben aufgedrängten Beziehung zu Körperlichkeit und Bewegung, das wäre ja mal ein schöner Ansatz, nein das sollte schon eine wissenschaftlich anerkannte Theorie sein, sorry, eine Bezugstheorie. Theorie reicht leider nicht, man sollte sich schon auf jemand/etwas beziehen – geht es da um Beziehung, um Klüngel, womöglich um Connections und Vitamin B: Ich weiß es nicht ....

Noch ein:„2. Klientenspezifik durch spezielle Verfahren
Himmel, wie soll ich mir das schon wieder vorstellen: „ein Ansatz muss die Frage der Klientenspezifik klären“ (S.32), wie spezifisch ist mein Klient, so könnt das ja auch gemeint sein? Sehr, meine Klienten waren und sind sehr spezifisch? Und noch ne Spezies.

3. Praxeologie, die die Praxis spezifisch prägt
Langsam, erinnere ich mich – da gab es doch zu meinen Studienzeiten (70 Jahre) so ein Buch, das hieß ;Der Unibluff“ oder so ähnlich. Herr Seewald, sie wollen doch unsere promotionsfreudigen Studenten der Motologie nicht dazu animieren, oder?

Nummer „4. Evaluationen, die die Wirkung rückkoppelt“ die gehören natürlich dazu.
Aber halt, wer koppelt denn da? Evaluationen, die die Wirkung rückkoppeln,  meint doch die Evaluationen koppeln die Wirkungen zurück, d.h. durch die Evaluation wird die Wirkung rückgekoppelt. Na dann, ich dachte die Arbeit selber sollte Wirkung zeigen?! Zum Glück gehört Statistik doch auch zum wissenschaftlichen Handwerk.
Und nochmals Enttäuschung: zu Punkt vier: „so existieren kaum ansatzspezifische Vorschläge für die Überprüfung der Wirksamkeit“ (S. 33) Ist doch nicht so schlimm sind doch sowieso fast nur Promotionen...

Was ein Durcheinander? Bleibt die gute Frage: „Warum benötigen wir eigentlich Ansätze?“ (S.33)
Pssst, Herr Seewald, Ansätze werden nicht benötigt, die hat man einfach so, jeder seinen… und was kann ich dafür dass Herr Köckenberger seinen dauernd veröffentlicht und Lieschen Müller ihren nicht. Warten se mal ab in Zeiten von Blogs und Zugang zu Schreibprogrammen, wie viel Ansätze da noch veröffentlicht werden, wahrscheinlich sogar welche von denen Sie und ich noch nie gehört haben...und die keine -von wem auch immer anerkannte- Bezugstheorie nennen…ich ahne ein großes Chaos.

Aber zum Schluss: habe ich auch vieles verschlafen und sind mir die blühenden Ansatzlandschaften nicht zugänglich gewesen, so darf ich feststellen, das Ihnen doch als Forscher und Ordner auch Einiges entgangen ist: Sie zählen auf, was in den Ansätzen nicht oder nur am Rande behandelt wurde: In Kontakt kommen, Ankommen und Beginnen, Übergänge in den Stunden, Rhythmisieren, ... Ausklang und Abschied... sie schreiben, da stehe die Praxisforschung noch aus. Recht haben Sie, Ihre Forschung steht da noch aus, aber nicht die Praxis und auch nicht die Darstellung dieser Praxis. Bei Gelegenheit lohnt sich dann doch der Blick in Bücher: So haben Passolt/ Pinter-Theiss in „Ich habe eine Idee...“ (Borgmann 2003) ein ganzes Buch zu genau diesen Themen geschrieben, nur so ein Beispiel...

Es wäre schön, wenn dieser Beitrag eine Diskussion zu der Frage auslösen würde: Wann ist ein Ansatz ein Ansatz? (S.34)
Meinen Beitrag gebe ich gerne und wünsche uns mit Maria Nicolini’s Worten:
Heraus also aus dem Rauschen und in die Nähe des Gegenstandes! Ihm in der Sprache Gestalt geben. Schreiben, "liebevolle Zuwendung zum Gegenstand" (Julian Schutting Schreibwerkstatt 1992), ist Symbiose – auch ein erotischer Vorgang. Und ein weiterer Ansatz.